Wir stellen eure Studienrichtungsvertretung
Geschichte an der Uni Wien
QUEERFEMINISTISCH
Nicht nur als Frauen wahrgenommene Menschen müssen sich täglich gegen patriarchale Strukturen behaupten. Von familiären bzw. gesellschaftlichen Zwängen und sozialer Ungleichheit über gläserne Decken und sexuelle Übergriffe bis hin zum Femizid reichen die Angriffe auf die Freiheit, Gesundheit und das Leben der Betroffenen. Und trotzdem heißt es dreist im medialen Mainstream, auf digitalen Plattformen und am Tisch auf der Familienfeier: “Frauen sind eh gleichberechtigt!”. Dabei stützt man(n) sich argumentativ auf das erstrittene Wahlrecht und die teilweise rechtliche Gleichstellung zwischen Frauen und Männern. Danach folgt dann oft das Beispiel, dass “moderne” Väter sowieso im Haushalt mithelfen würden und es früher ja viel schlimmer gewesen wäre. Übersehen wird dabei der große Rest der unbezahlten Reproduktionsarbeit wie Pflege von Alten, Kindererziehung, emotionale Arbeit etc., den Frauen leisten und der nicht mit ein bisschen “Mithelfen” beim Putzen aufgewogen werden kann. Ähnlich sieht es im Berufsleben aus. Vorurteile und männliche Seilschaften sind so tief verankert, dass selbst gesetzliche Quoten und Gleichbehandlungsstellen nur einen marginalen Unterschied machen. An der Uni Wien sind aus einem Anteil von 51% Doktoratsabsolvent*innen in den Jahren 2004/5, 33% Professorinnen im Jahr 2019 hervorgegangen, obwohl in demselben Zeitraum Quoten und Gleichbehandlungspläne eingeführt wurden. [1]
Neben dieser systemischen Diskriminierung bei der Arbeit im Privaten ebenso wie im Öffentlichen kommt noch dazu, dass als nicht männlich gelesene Personen pausenlos um die Selbstbestimmung über ihr Verhalten, Aussehen und sogar ihren Körper kämpfen müssen. So sind Schwangerschaftsabbrüche in Österreich immer noch illegal und nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Dadurch wird verhindert, dass Krankenkassen die nötigen Behandlungen zahlen und Ärzt*innen können sich nur im arbiträr festgelegten Gesetzesrahmen bewegen, ansonsten müssen sie eine Strafe von bis zu drei Jahren Haft befürchten. [2] Aber selbst im Alltag wird auf Menschen mit Uterus keine Rücksicht genommen. So treffen Forderungen nach Erleichterungen im Alltag wie “kostenlosen Periodenartikeln im öffentlichen Raum (z.B. Uni)” meist auf Unverständnis und es wird mit einer unverschämten Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass die Betroffenen selbst dafür aufzukommen haben. Es ist also offensichtlich, dass die Fortschritte schleppend und wir weit von einem solidarischen, gesellschaftlichen Umgang mit diesen Themen entfernt sind.
Von den bisher dargestellten Verhältnissen sind auch Personen betroffen, die sich nicht ihrem zugewiesenen Geschlecht (cis), sondern einem anderen (trans*) zugehörig fühlen sowie Menschen, auf die keine der binären Geschlechtsidentitäten zutrifft. Spätestens seit den US-Stonewall Aufständen von 1969, bei denen vor allem Latine und Schwarze Drag Queens, schwule Sexworker und Butches mit ihren Liebhaberinnen im Stonewall Inn (eine Bar in der Christopher Street in New York) bei Razzien massive Gewalt durch die Polizei erfahren hatten, wurde deutlich, dass nicht nur cis Frauen unter misogynen Strukturen leiden, sondern auch trans Personen. Sie stellten sich mutig gegen die Repressionen und erkämpften Rechte für die queere Community. Trans Frauen, trans Männer und nicht binäre Personen, also Menschen, die sich außerhalb des binären Systems (Mann vs. Frau) identifizieren, sind Feind*innen des Patriarchats, da trans Personen, egal ob binär oder nicht binär, das traditionelle Geschlechtersystem sprengen und somit eine Gefahr für die Idee des Patriarchats dargestellen. Auch intersex Personen, also Personen, deren Geschlechtsorgane nicht zu 100% als männlich oder 100% als weiblich bezeichnet werden können, werden im Patriarchat diskriminiert und ohne Einverständnis bereits bei der Geburt durch aufgezwungene Operationen in das eine oder das andere binäre Geschlecht eingeteilt.
Wenn wir über Sexismus, Misogynie und Patriarchat solidarisieren wir uns mit Frauen, Lesben sowie nicht-binären, trans und agender Menschen, da alle diese Gruppen direkt von patriarchalen Strukturen diskriminiert werden. Statistisch unsichtbar und gesellschaftlich marginalisiert stehen die durch patriarchale Strukturen Benachteiligten einem gleichgültigen Staat gegenüber, dem nicht nur der Wille, sondern oftmals sogar die Sprache fehlt, sie zu schützen. Und damit kommen wir zum drängendsten Thema: Gewalt gegen die genannten Gruppen durch Männer. Jede fünfte Frau erlebt körperliche und/oder sexuelle Gewalt, jede Dritte wurde sexuell belästigt und jedes Jahr werden im Schnitt 30 als Frauen gelesene Menschen von meistens nahestehenden Männern ermordet. [3] Wenn die Öffentlichkeit dann nach Gründen sucht, wird reflexartig darauf hingewiesen, frau solle sich nicht so “sexy” kleiden, damit Männer nicht provoziert werden oder die Täter wären psychisch krank. Dieser fadenscheinige Umgang durch die Öffentlichkeit spiegelt sich natürlich auch im Rechts- und Polizeiapparat wider. So wird immer nur gehandelt, wenn eine Straftat bereits begangen wurde und die Bitte um frühzeitige Hilfe meistens nur ignoriert oder die Handlungsunfähigkeit der Behörden beteuert. Die hier aufgezeigten Zustände lassen nur einen Schluss zu: als Feminist*in reicht es nicht mehr, die “Gleichstellung von Frauen” zu fordern, wir müssen patriarchale Herrschaft auflösen. Es gilt, Geschlechterrollen, Bevormundung, toxische Normen und alle weiteren Formen der Ungleichheit sichtbar zu machen, zu analysieren und zu bekämpfen!
An unserer Interpretation von Feminismus lässt sich sehr gut die Verzahnung unserer Grundsätze ablesen. Unser feministischer Zugang entspringt einem Verständnis von Gender als mehrfach relationaler Kategorie, um unserem alltäglichen Kampf den Zugriff auf die Komplexität der Gesellschaft zu erlauben. Zwar sind Race, Class und Gender nach wie vor die prominentesten Kategorien und haben zurecht ihren hohen Stellenwert in den laufenden Debatten, dennoch ist unser gesellschaftliches Dasein komplexer als die genannte Trias oder anders gesagt: alle erfassbaren Kategorien gehen für jedes Individuum und jede Gruppe wechselseitig ineinander auf. Im weitesten Sinne können Kategorien auch überall dort entstehen, wo Einflüsse auf Erfahrungen von Subjekten genommen werden können. Damit verbunden ist immer die Frage, wie die Zugehörigkeit zu den jeweiligen Kategorien den Zugang zu Ressourcen und Chancen beeinflusst und diese Kategorien sich auf die eigene Identitätskonstruktion auswirken. Aus einem intersektionalen Verständnis von Gender leitet sich für uns somit der Selbstanspruch ab, sensibel gegenüber Überlappungen, wechselseitigen Verstärkungen, aber auch Neutralisierungen durch kulturelle Zuschreibungen und Identitäten zu sein.
[2] https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/1974/60/P96/NOR40173624